Evangelische Kirchengemeinde

Erbach im Odenwald

Kleiner Führer durch die Stadtkirche Erbach

von Ingeborg Diersch

Seit Einführung des Christentums im Odenwald war die Kirche St. Kilian in Michelstadt die Mutterkirche für die Orte am oberen Lauf der Mümling. Hierzu gehörte auch Erbach, das 1095 erstmals urkundlich genannt wird.
1370 erbaute Schenk Eberhard VIII. zu Erbach an dieser Stelle eine Kapelle, die St. Bartholomäus und St. Sebastian geweiht war. 1497 wurde Erbach zur selbständigen Kirchengemeinde erhoben. Die Kapelle wurde damit zur Stadtkirche. Zum Kirchspiel gehören seit dieser Zeit die jetzigen Stadtteile der Kreisstadt Erbach: Lauerbach, Schönnen, Ebersberg, Günterfürst, Haisterbach, Elsbach, Dorf-Erbach, Ernsbach, Erbuch, Erlenbach und das frühere Dorf Roßbach.
Weihnachtsfenster, Detail
Aus der Glasmalerei Heinrich Beiler, Heidelberg, stammen die Buntglasfenster. Zum Teil sind es Stiftungen zum 400jährigen Kirchenjubiläum 1897.
Orgel der Stadtkirche Das Orgel­gehäuse (Orgelpro­spekt) wurde 1724 für die dritte Orgel der alten Kirche ge­schaffen und 1750 mit der Orgel in die neue Kirche übernommen. Der Bildhauer Manuel Millet aus Aschaffenburg hat dabei mitge­wirkt. In diesen Orgelprospekt wurde 1899 die vierte Orgel eingebaut. Sie ist das 793. Werk des Orgel­bauers Wilhelm Sauer (1831–1916) aus Frankfurt/ Oder und eine der wenigen noch original erhaltenen Sauer-Orgeln.

Im Laufe der Zeit war das Gotteshaus baufällig und für die Gemeinde zu klein geworden. Deshalb entschloß sich Reichsgraf Georg Wilhelm zu Erbach-Erbach (1686–1757), an der gleichen Stelle eine größere Kirche zu bauen. Der Plan stammt von Andreas Jörg (1700–1777), der in Wenigumstadt bei Aschaffenburg lebte. Ein Mauerturm der einstigen Stadtbefestigung, der als Kirchturm der alten Stadtkirche genutzt worden war, blieb erhalten. Sakristei und Orgel sind darin untergebracht.

Taufstein, Altar und Kanzel im Barockstil sind aus Marmor. Der Schalldeckel der Kanzel und die Engel sind Werke des Bildhauers Christian Lutz aus Heidelberg. Der im altdeutschen Stil gehauene Taufstein an der Nordseite soll aus der alten Kirche stammen. Nach anderer Überlieferung ist er eine Stiftung des Grafenhauses von 1868 zur Erinnerung an den 1866 gefallenen Sohn Alfred.

Zwei Gedenktafeln an Kriegsopfer des 19. Jh. wurden 1896 an der Westwand angebracht.

Christusstatue am Grafenstuhl Die Christusstatue am Grafenstuhl stiftete 1940 der Altmeister der Elfenbein­schnitzer Otto Glenz (1865–1948). Sie erinnert an die 1783 von Graf Franz I. zu Erbach eingeführte Elfen­beinschnitzerei.
Blick in den Glockenstuhl Der Kirchturm ist 48 m hoch. 131 Stufen führen bis zum Geräms. Im Turm hängen vier Glocken, deren Geläut erschallt in den Tönen d', fis', a', und h', das „Salve-Regina-Geläut“ genannt.
Die älteste Glocke wurde 1357 gegossen. Sie stammt aus dem Kloster Schönau und kam 1563 nach Erbach (Gewicht 22 Zentner, Ton fis, Elf-Uhr-Glocke). Die zweitälteste Glocke wurde 1513 gegossen und 1850 umgegossen (Gewicht 8 Zentner, Ton a, Vater-unser-Glocke). Von 1950 stammen: Die Gedächtnisglocke (32 Zentner, Ton d) und die Eberhardsglocke (6 Zentner, Ton h). Sie wurde vom Grafenhaus gestiftet zum Gedächtnis an Erbgraf Eberhard (*1922, gefallen 1943).
Im ersten Weltkrieg (1914–1918) mußte eine Glocke abgeliefert werden. Im zweiten Weltkrieg (1939–1945) waren es vier Glocken, von denen eine, nämlich die zweitälteste, wieder zurückkam.
Die Erbacher Stadtkirche ist als Querkirche gebaut. Dies galt im Barock als Idealform des protestan­tischen Kirchenbaus. Altar, Kanzel und Orgel befinden sich auf der Ostseite. Die Bänke sind in relativ gleichmäßiger Entfernung um diesen Mittelpunkt aufgestellt.

Bei wiederholten Renovierungen (die letzte 1989/90) wurden kleine Veränderungen im Innern und an der Turmhaube vorgenommen, wie ein Vergleich mit den ursprünglichen Plänen zeigt.

Das Wappen des Erbauers ist am Altar, am Orgel­prospekt und über dem Haupteingang, angebracht. Graf Georg Wilhelm war zweimal verheiratet. Die Wappen seiner Gemahlinnen befinden sich über den Seiteneingängen: Links das der Gräfin von Bothmar und rechts das der Wild- und Rheingräfin.
Über dem Eingang zum Turm steht in hebräischen Buchstaben „Jehova“ und folgende Inschrift:

„So las nun Herr deine Augen offen seyn ueber dis Haus
Tag und Nacht und deine Ohren aufmerken aufs Gebet
an dieser Staette.
Dem Dreyeinigen Gott zur Ehre der evangelisch-lutherischen Religion zum Dienste
und sich und seinem Volke zum Troste erbaute diesen Tempel
der Hochgeborene des Heil. Roem. Reichs Graf und Herr,
Herr Georg Wilhelm
regierenden Graf zu Erbach, Herr zu Breuberg.
Der Grund wurde den XVII. Aug. 1747 gegraben:
Den XIIII. Nov. 1748 wurde auf der Spize des Langhauses:
Den XII. Sept. 1749 auf der Spize des Thurms:
Den IIII. Oktob. dieses Jahrs auf dem Knopfe dem Herrn
der Heerscharen gedanket, das er den Bau gnaedig ge-
foerdert und die Bauleute maechtig beschuezet.
Den XII. Jul. 1750 weihete man dieses Haus froehlich
ein; das der Name Gottes daselbst seyn soll ewiglich.“